Der Wille des Verstorbenen bestimmt den Bestattungsort
OLG Sachsen-Anhalt: Verwandtenstreit findet in der Achtung der Totenruhe seine Grenzen | 26.11.2015 | 0 Kommentare |
In einem Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt eine einstweilige Verfügung gegen die Witwe eines Verstorbenen bezüglich des Bestattungsortes erlassen und damit eine Umbettung zumindest vorerst untersagt. Beantragt hatte die Verfügung der Zwillingsbruder des Verstorbenen, der diesen in Berlin hatte bestatten lassen. Die Witwe war hingegen der Auffassung gewesen, dass ihr verstorbener Mann an einem anderen Ort, wohl dem früheren gemeinsamen Wohnort, bestattet werden wollte. Vor diesem Hintergrund war der Zwillingsbruder vor Gericht gezogen, um der Ehefrau das Veranlassen einer Umbettung bei Androhung eines Ordnungsgeldes untersagen zu lassen. Außerdem hatte er die einstweilige Übertragung des Totensorgerechts auf sich beantragt.
Den Antrag auf das Verbot einer Umbettung hielt das Gericht in Naumburg für begründet. Verwandtenstreit finde an der Achtung vor der Ruhe der Toten seine Schranken. Eine Umbettung könne nur aus ganz besonderen Gründen veranlasst werden. Diese Gründe müssten feststehen. Bis dahin sei durch eine vorläufige Regelung zu verhindern, dass der Verstorbene durch mehrfache Umbettung dem Streit der Parteien ausgesetzt würde.
Es sei vom Bruder außerdem glaubhaft gemacht worden, dass er dem Willen des Verstorbenen entsprochen habe. Dies schließt das Gericht insbesondere aus einer eidesstattlichen Versicherung des Bruders, nach der der Verstorbene in seiner letzten Lebensphase zum Ausdruck gebracht habe, in Berlin bestattet zu werden. Darüber hinaus lägen verschiedene unstreitige und in der Entscheidung genannte Indizien vor, die belegten, dass sich der Verstorbene angesichts des bevorstehenden Todes einerseits immer weiter seinem Bruder angenähert und ihm anvertraut, andererseits von seiner Ehefrau immer weiter entfernt hatte.
Der Antrag auf Übertragung des Totensorgerechts wurde hingegen abgelehnt. Wer die Totenfürsorge innehabe, bestimme sich nach dem zu Lebzeiten geäußerten Willen des Verstorbenen. Beherrschender Grundsatz des Totenfürsorgerechts sei die Maßgeblichkeit des Willens des Verstorbenen. Das Recht zur Totenfürsorge könne nicht gegen den irgendwie geäußerten Willen des Verstorbenen ausgeübt werden. Deshalb seien die nächsten Angehörigen und vor den Verwandten die Ehegatten totenfürsorgeberechtigt, wenn der Verstorbene keine andere Person mit dieser Aufgabe betraut habe. Das hieße für den Verfügungskläger im vorliegenden Fall, entweder habe ihm sein Zwillingsbruder die Totenfürsorge übertragen oder das Recht stehe unübertragbar der Beklagten zu. Lasse sich aus den Umständen ein ihn bestimmender Wille des Verstorbenen zuverlässig (mit Sicherheit) entnehmen, sei der Bruder Inhaber der Totenfürsorge, sodass es einer Übertragung nicht bedürfe.
Habe sich der Verstorbene nicht in diese Richtung geäußert, bleibe es bei den gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen, also bei der Totenfürsorge der Witwe. Eine Rechtsgrundlage zur gerichtlichen Übertragung der Totenfürsorge auf andere Personen gebe es nicht. Der Bruder kann sich in Ermangelung des eigenen Totenfürsorgerechts dann nur gegen einzelne Maßnahmen der Witwe wenden, wenn diese dem (mutmaßlichen) Willen des Toten widersprechen. Außerdem gelte der Grundsatz, dass im einstweiligen Rechtsschutz die Hauptsache nicht vorweggenommen werden darf. Das bedeutet, dass vor einer abschließenden Entscheidung keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden sollen.
Anmerkung: Von verschiedenen Juristen wird behauptet, dass das Befolgen der Wünsche des Verstorbenen nur eine sittliche Pflicht sei. Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt hat im vorliegenden Verfahren die Rechtsauffassung von Aeternitas bestätigt, dass nahe Angehörige, auch ohne (primär) totensorgeberechtigt zu sein, Maßnahmen verhindern können, die dem Willen eines Verstorbenen widersprechen. Dies war zwar im Urteil nur ein Nebenaspekt, ist aber besonders herauszuheben, da der Wille des Verstorbenen als Ausdruck seiner postmortalen Würde ein grundlegender Maßstab im Bestattungsrecht ist.
(Quelle: Urteil des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt vom 08.10.2015)